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Zu Besuch beim Tabak
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Die Zigarrenproduktion


Seit 1873, als Gerhard (Geraldo) Dannemann seine Zigarrenfabrik in São Félix eröffnete, werden in der Region und unter anderem auch in diesem Gebäude Zigarren manuell hergestellt. Die Zigarrendreher/innen heißen in der internationalen Literatur über Zigarren torcedores oder torcedoras; in Brasilien, wo dieser Beruf vornehmlich von Frauen ausgeübt wird, ist auch der Ausdruck charuteiras gebräuchlich, was von charuto [sprich: tscharuto] abstammt, portugiesisch für Zigarre. Eine geübte charuteira kann an einem guten Tag bis zu 200 Top-Zigarren herstellen!















"Eine Zigarre kann eben manchmal auch einfach nur eine Zigarre sein."
(Siegmund Freud)










Cris, charuteira











Zusammenstellung Tabake

Die Tabakzusammenstellung der Zigarren erfolgt nach bestimmten, für die jeweiligen Zigarrenformate immer gleichen „Bauplänen“. Diese Baupläne bestimmen, wie viele Blätter von welchen Tabaksorten und von welchen Pflanzenteilen die charuteiras für eine Zigarre zusammenfügen. Dieser Tabak wird Einlagetabak (port.: ‚tripa‘, oder auch ‚miolo‘) genannt.

Die verschiedenen Blätter einer Tabakpflanze, also Blätter von Mittel-, Haupt- und Obergut werden hier gemischt. Die kräftigen Blätter vom Obergut werden ‚ligeros‘ genannt, die mittleren Blätter des Hauptguts nennt man ‚secos‘, sie haben einen mittelstarken Geschmack. Die mildesten Blätter stammen vom unteren Ende der Pflanze, dem Mittelgut, sie heißen ‚volados‘. Die Kombination der drei Sorten ('blend') bestimmt zusammen mit dem Deckblatt den typischen Geschmack einer jeden Zigarre.

Der Bauplan für das Format "Robusto" hängt am Drehtisch          

















Handrollung der Zigarren

Tabakmenge, Blattverteilung und Druckstärke bestimmern beim Drehen des Tabaks, der sogenannten „Handrollung“, das spätere Zug- und Brennverhalten der fertigen Zigarre: beim Ziehen strömt der Rauch durch die Luftkanäle und wenn diese die richtige Dichte vorweisen, stimmt die Zugstärke der Zigarre und die Aromen der Tabakblätter können sich am besten entfalten.

Die charuteiras finden beim Drehen Unebenheiten durch Tasten heraus und gleichen diese mit Tabakteilen aus, sodass die Zigarre gleichmäßig gebaut ist und auch gleichmäßig zieht (‚luftet‘). Solche Zigarren, die aus kompletten Tabakblättern hergestellt werden, nennt man Longfiller – im Gegensatz zu den günstigeren Shortfillern, die nur aus geschnittenem oder gerissenem Tabak bestehen.
























  
Umblatt und Papierumwicklung

Nach dem Rollen wird die Tabakeinlage mit dem Umblatt (‚capote‘) umwickelt, das diese in Form hält und ihr Stabilität gibt. Normalerweise werden die Umblätter vom Mittelgut der Pflanze genommen. Aus diesen werden nur besonders große, feste und schöne Blätter ausgewählt. Bei den Umblättern wird vor der Weiterverarbeitung die Haupt- oder Mittelrippe entfernt, da sie später beim Rauchen sehr stören würde. Man sieht bei dem Vorgang der Mittelrippenentfernung gut, wie elastisch, aber auch fest die Tabakblätter sind. Dieses Stadium einer Zigarre (Tabakeinlage plus Umblatt) wird auch „Puppe“ oder „Wickel“ genannt.

Um die „Puppe“ in ihrer Form zu festigen, wird sie nicht, wie z.B. in Kuba oder auch in anderen Fabriken im Recôncavo, in Holzformen gepresst, sondern – viel schonender – in Papier gewickelt und dann 15 Tage liegen gelassen.  Der Durchmesser der Zigarre ('Ringmaß') wird vorher schon gemessen. Die Dicke des Papiers entspricht der des späteren Deckblattes.


Die Umblätter werden sortiert und die Mittelrippe entfernt.             




                     
                      Entfernung der Mittelrippe - gar nicht so einfach.






Das Umblatt wird 'eingezogen', um die Einlage gerollt und am Ende angeklebt.







                                             Papierumwicklung






                                                Prüfung des Ringmaßes














Santo Antonio de Padua








 




                                                 
                                                  "Drawmaster"

Messung des Zugverhaltens

Bevor nun die nächsten Bearbeitungsschritte folgen, wird zunächst das Zugverhalten bei jeder Zigarre gemessen. Dies geschieht mit dem sogenannten „Drawmaster“, der den Luftwiderstand einer Zigarre misst (und zwar in angelsächsischen „Inches of water”, (~ x 2.489 = mbar).

Bei Dannemann liegt der zulässige Luftwiderstandswert für eine Zigarre zwischen 20 und 40 Inches of water; aber jede Firma hat da ihre eigenen Werte. Bei der Fa. Leite & Alves („Talvis“) z.B. sind das zwischen 30 und 50 Inches of water, wobei 50 schon ziemlich ‚fest‘ ist. Liegt eine Zigarre außerhalb dieser selbstauferlegten Werte, wird sie aussortiert.















"Nein, aber wir können gute Freunde bleiben."
(Groucho Marx auf die Forderung seiner Frau, mit dem Zigarrerauchen aufzuhören)












 




Deckblatt & Mundstück

Nach 2 Wochen wird also das Umwickelpapier wieder entfernt  und das Deckblatt um die „Puppe“ gerollt. Wie anfangs erwähnt, ist das Deckblatt mitentscheidend für den Geschmack der Zigarre und muss allerbeste Qualität besitzen – so auch die Umrollung. Daher werden hier die Deckblätter nur von erfahrenen charuteiras gerollt. Die Arbeitsfläche wird dazu für jedes neue Blatt gesäubert und leicht angefeuchtet; das Blatt wird ausgebreitet, glatt gestrichen und in die richtige, sichelartige (Längs-)Form zurechtgeschnitten; danach werden noch die Rippen mit einem Rolleisen geglättet.

Nun wird das Deckblatt in einem bestimmten, immer gleichen Winkel um die Zigarre gerollt; die Reste des Blattes werden abgeschnitten. Zum Schluss wird aus diesen Resten noch das Mundstück ausgeschnitten, der „Kopf“ gestanzt und mit einem geschmacksneutralen, natürlichen Klebstoff und geübten Fingern die Zigarre perfekt „abgerundet“. Ach ja: Das Deckblatt entscheidet, welche Herkunft der Zigarre zugerechnet wird. Ein Deckblatt aus Brasilien macht aus der Zigarre etwa eine Brasil, Einlage und Umblatt können dabei ebenfalls aus Brasilien stammen, müssen aber nicht.







































 
Schneiden

Zigarren gibt es in vielen Formaten. Unterschieden werden sie nach Länge, Dicke und Form. Eine Zigarre, deren Körper gerade (zylindrisch) gedreht ist, nennt man ‚parejo‘, dagegen ist eine ‚figurado‘ eine Zigarre mit unterschiedlich dickem Körper.

Zum Schluss wird die Zigarre auf die exakte Länge ihres vorgesehenen Formates geschnitten. Die meisten Zigarrenformate haben spezielle Namen; hier im Beispiel wird die Schneidemaschine für die Länge einer Corona eingestellt, die einen Durchmesser von 16,67 mm ('Ringmaß 42') und eine Länge von 142 mm hat.

Es gibt aber keine allgemein verbindlichen Regelungen bei den Zigarrenformaten, sie haben sich aus den unterschiedlichen Marken der Firmen mit der Zeit entwickelt. Die bekannteren Zigarrenformate mit ihren durchschnittlichen Abmessungen sind:




Format

Länge
(mm)

Durchmesser
(mm)

Ringmaß

Small Panatela

102-127

11,5-13,5

29-34

Petit Corona

102-129

15,9-18,0

40-45

Robusto

114-140

19,1-21,4

48-54

Corona

130-170

15,0-18,5

38-47

Slim Panatela

127-170

11,9-13,5

30-34

Panatela

145-175

13,9-15,5

35-39

Torpedo

140-170

19,4-21,5

49-54

Long Corona

149-162

15,9-17,5

40-44

Lonsdale

165-184

15,9-17,5

40-44

Grand Corona

143-168

17,9-18,7

44-47

Churchill

171-200

17,5-20,0

44-50

Long Panatela

170-195

13,9-15,5

35-39

Double Corona

171-197

19,5-21,4

49-54




















   




Zigarrenring & Verpackung

Nun muss nur noch der Zigarrenring („Bauchbinde“, „Banderole“) angebracht werden, wobei mit einem Abstandhalter darauf geachtet wird, dass er immer auf derselben Höhe angebracht wird. Nun wird die fertige Zigarre mindestens weitere 4 Wochen in einem klimatisierten Raum gelagert, um die zusätzliche Feuchtigkeit abgeben zu können, die ihr bei der Bearbeitung zugefügt wurde. In dieser Zeit kann sich ihr Geschmack weiter ausbilden und die Tabakmischung sich zu einem einheitlichen, abgerundeten Aroma verbinden.

Bevor die Zigarren endgültig in die eigens im Haus hergstellten Holzkisten verpackt werden, erfolgt eine letzte Qualitätskontrolle: das Gewicht und die Feuchtigkeit werden nochmals gemessen. Ein geschulter Farbsortierer wählt nun die Zigaren nach Farben aus und stellt möglichst gleichfarbige Zigarren je Packung zusammen. Er sortiert dabei eine mögliche Variation im Farbton von links nach rechts dunkler werdend. Jede Kiste erhält eine eigene Kontrollnummer. 














































 




























„Ich habe es mir zur Regel gemacht, nie mehr als eine Zigarre gleichzeitig zu rauchen.“
(Mark Twain)












"Tabakhände"

"Tabakhände"












© Copyright: Fotos und Text: Jochen Weber 

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