Jochen Weber - Fotografie |  Fotoreportage
_____________________________________________________________________________________________________________________________

[Home]



Cago - Auf der Suche nach Freiheit
Seite 2










Landschaft der Chapada Diamantina



Der Name Diamant leitet sich ab von den griechischen Wörtern diaphainein (‚durchscheinend‘) und adamantos (‚der Unbezwingbare‘). Kein Wunder: immerhin ist der Diamant das härteste bekannte natürliche Material auf unserem Planeten! Die Diamantenentstehung fand zu verschiedenen Zeiten in der Entwicklungsgeschichte unseres Planeten statt. Die jüngsten Diamanten sind ca. einige hundert Jahre alt, die ältesten werden auf älter als 3 Milliarden Jahre geschätzt. Sie bestehen aus Kohlenstoff und bilden sich im Erdmantel unter sehr hohem Druck, in einer Tiefe von 100 bis 200 Kilometern und bei Temperaturen von über 1.300° C.

Vulkanisches Gestein transportiert Bruchstücke des Erdmantels mit den enthaltenen Diamanten bei ihrer Eruption an die Erdoberfläche. Durch Verwitterungsprozesse, bei denen sie dank ihrer Härte intakt bleiben, werden sie weiter transportiert und lagern sich in Tälern und Flüssen ab, die heute zu den Hauptfundstellen der Diamanten gehören. Aber auch bei Meteoriteneinschlägen wird Kohlenstoff so stark komprimiert, dass sich kleine Diamantkristalle bilden.




                                 Gruta Azul, Chapada Diamantina
Im Optimalfall ist ein Diamant durchsichtig, jedoch kommt es oft vor, dass ihn verschiedene Verunreinigungen trüben oder in die unterschied-lichsten Farben färben.

Um einen Diamanten zu bewerten, gibt es vier Kriterien, die sogenannten „4 Cs“: carat, color, clarity und cut. Das Gewicht eines Diamanten wird traditionell in Karat ange-geben, wobei ein Karat 0,2 Gramm entspricht. Je nach Weißton wird er in verschiedene Gruppen eingeteilt, wobei die Farbe (color) bei einem „hochfeinen Weiß+“ (River+) anfängt und bei einem „getönt 4“ (Yellow) aufhört.

Bei der „clarity“ wird die Reinheit des Diamanten bewertet: je mehr Verunreinigungen, desto schlechter wird er einge-stuft. Die letzte Bewertung ist der der „cut“, also der Schliff eines Diamanten. 





Poço Azul, Chapada Diamantina





Nach dem Mittagessen geht es dann wieder zum Fluss: weiter schaufeln, spülen, sieben! Die Sonne brennt gnadenlos, aber es ist erstaunlich, wie sich ein Mensch daran gewöhnen kann. Zunächst installiert Cago den Rost wieder im Staudamm. Da er alleine arbeitet – viele garimpeiros arbeiten zu zweit und teilen sich dann den Erlös – muss er auch noch die andere Seite des Staudamms frei schaufeln, um einen guten Wasserabfluss und den ‚Durchzug‘ im Rost beizubehalten.

Ist dies erledigt, schaufelt er wieder unermüdlich den ganzen Nachmittag Geröll in die Schubkarre, um jede Fuhre über dem Rost auszuwaschen. Dabei geht er am Rost beinahe behutsam vor, keineswegs rabiat oder grob. Nach jeder Schubkarre entfernt er die größeren Steine vor dem Rost, so dass das Wasser ungehindert fließen kann. Nein, langweilig würde es ihm nie, und einsam würde er sich auch nie fühlen. Ab und zu tauche ein Kollege auf, dann halten sie einen Schwatz, während er weiter schaufelt.





















Die ältesten Diamantenfunde stammen aus Indien, und zwar  bereits schon aus dem 4. Jahrtausend vor Christus! Bis zur Entdeckung der brasilianischen Vorkommen im Jahr 1725 war Indien der einzige Diamantenlieferant. 1730 erklärte das portugiesische Königshaus die Fundstätte in der brasilianischen Kolonie im Bundesstaat Minas Gerais zum Eigentum der Krone – eine neue steuerliche Einnahmequelle war ja immer willkommen!

Die von den Diamantenschürfern gegründete Stadt Tejuco nördlich von Belo Horizonte wurde später in das heutige Diamantina umbenannt. Im Bundesstaat Bahia wurden in der Serra da Chapada 1755 ebenfalls Diamanten entdeckt, daher der Name Chapada Diamantina. Diese Fundstellen sind durch verwitterungsbedingten Transport der diamanthaltigen Ablagerungen aus vulkanischer Tätigkeit entstanden.




Die Qualität der brasilianischen Diamanten wird im allgemeinen als gut beschrieben, mit der Einschränkung, dass sie im Durchschnitt eher klein sind.

Neben dem kanadischen Unternehmen „Brazilian Diamonds Ltd.“ baut in Bahia noch das brasilianische Bergbauunternehmen „Mineração Rio Novo Ltda.“ ab, teilweise mit Nassbaggern und Tauchern, die mit Hilfe von Schläuchen und Wasserpumpen auch unter Wasser schürfen. Im wesentlichen wurde aber das traditionelle, geradezu archaische Garimpeiro-System beibehalten, auch nachdem 1989 das Gesetz erlassen wurde, das Konzessionen zur Bedingung machte.

Immer samstags läuft Cago die 15 Kilometer nach Lençois zum Einkaufen und um seine Familie und Freunde zu besuchen. Gerne würde er sich ein Mountain Bike kaufen, aber sein spärliches Einkommen reiche nicht aus, auf eines zu sparen: „Es reicht immer gerade so für das Nötigste“. Von seiner Frau lebt er getrennt, ihre beiden gemeinsamen Söhne leben bei ihr.







Wenn er in der Stadt sei, besuche er sie regelmäßig und er sagt mit einem sympathischen Lächeln: „Ich freue mich immer sehr, sie zu sehen.“ Seine Freunde besuche er aber nur, wenn er etwas Geld übrig habe und sich nicht auf ein Bier einladen lassen müsse. „Ich kann doch nicht jedes Mal ohne Geld auftauchen und mich aushalten lassen; das wäre doch nicht in Ordnung, oder?“, schaut er mich fragend an.

Cagos Eltern sind pensioniert und leben in Igatù, einem alten Diamantenschürferstädtchen, ca. 130 km von Lençois entfernt. Ab und zu besuche er sie mit dem Bus, wenn Zeit und Budget es zulassen. Allen materiellen Einschränkungen und der harten körperlichen Arbeit zum Trotz macht Cago einen sehr zufriedenen und ausgeglichenen Eindruck, er steht fest im Leben und hat klare Vorstellungen. Er selbst zeigt bei allem einen eisernen Willen, ist aber immer gut gelaunt und ausgeglichen.









Gegen Ende des Arbeitstages um ca. 17.00 Uhr siebt er also noch einmal das Geröll aus dem Rost. Es wird wieder spannend, wieder legt er die Siebe übereinander und dreht die Steine und den Sand im Sieb rhythmisch im Kreis. So fällt der Sand durch das Sieb und die schwereren Steine wandern nach innen, d.h., ein Diamant sollte am Ende ziemlich in der Mitte des Siebes liegen.












Nach dem langen, heißen und zähen Tag kann ich nicht mehr so recht daran glauben, dass er irgendetwas findet. Dennoch frage ich ihn neugierig. „Und?“ Er schaut eine Weile konzentriert auf die verbliebenen Steine im letzten Sieb, dann sagt er ganz gelassen: „Tem“. Er hat einen gefunden! Ich springe auf, das muss ich mir ansehen! Nanu, wo denn? Ich kann keinen Diamanten entdecken. Hier!? Nein der? Gar nicht so einfach, es gibt Naturkristalle darunter, die täuschen den Anfänger, sie sind aber absolut wertlos. Dann sagt er: „Tem dois!“ Wow! Zwei! Hier der erste ...



















Also, die sind schon ziemlich klein, trotzdem freue ich mich für ihn. Cago aber bleibt aber gelassen, obwohl es für ihn ein wichtiger Fund ist. Was er denn dafür so bekäme, bei seinem Zwischenhändler? Cago schaut sich die beiden Diamanten nochmals in aller Ruhe an und sagt: „Der größere ist nicht besonders schön, er ist gebrochen und etwas trüb, der kleine ist klar und ganz hübsch, aber eben sehr klein. So um die 30,00 Reais für jeden, ungefähr.“ Das ist nicht sehr viel und enttäuscht mich ein wenig, wegen ihm, ich hätte ihm mehr gegönnt. Ich dachte, Rohdiamanten seien teurer! Aber immerhin, dieser Tag hat sich für ihn dennoch gelohnt. Er hat sich wieder ein paar Tage Freiheit aus dem Fluss herausgeholt. Parabéns, caro Cago!










Fim




© Text und Fotos: Jochen Weber
________________________________________________________________________________________________________________________________

Seite 1  |  2  [Home]