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Zu Besuch beim Tabak

Fotoreportage über den Anbau von Zigarrentabak in Brasilien



Tabak-Zyklus





Widmung

Meinem Freund Alvaro Rojas gewidmet, der immer so gerne einen 'puro' rauchte.

Mumbai, am 9. September 2014








Gentlemen! You may smoke.
(King Edward VII)




Hinweis
Diese Foto-Reportage berichtet über die Tabakpflanze und die Herstellung von Zigarren, soll aber keine Werbung für das Rauchen sein. Die schädigende Wirkung zu häufigen Tabakkonsums darf nicht verharmlost werden!
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Dank
Die Mehrzahl der Fotos ist mit freundlicher Genehmigung und bei der Firma Dannemann, São Félix, sowie bei der Tochterfirma Danco, Cruz da Almas, entstanden (im Folgenden kurz Dannemann). Dennoch ist der Text so objektiv und unabhängig wie möglich geschrieben. Vielen Dank an alle Beteiligten für ihre freundliche und freundschaftliche Unterstützung!
[ausführliche Danksagung anzeigen...]
 




São Félix

São Félix





Eine Einordnung

Tabak gehört zu den Nachtschattengewächsen, wie z.B. auch die bekannten psychoaktiven Pflanzen Tollkirsche und Stechapfel, aber auch wie die etwas harmloseren Kartoffeln, Tomaten oder auch Paprika. Sie ist eine einjährige Pflanze (d.h., nach der Reife des Samens stirbt sie ab) und wird, je nach Art, zwischen 0,5 und 3 Metern hoch. Von den bekannten Arten des Tabaks werden hauptsächlich zwei, nämlich virginischer Tabak (”Nicotiana tabacum“) und Bauerntabak (”Nicotiana rustica“) kommerziell verwendet. Etymologisch betrachtet gibt es unterschiedliche Thesen über die Herkunft des Wortes; eine verbreitete Theorie ist, dass das Wort Tabak auf eine Karibensprache zurückgeht und ursprünglich nicht die Pflanze, sondern eine Art Pfeife ('tobago') bezeichnete. Das Nikotin ist nach dem Franzosen Jean Nicot benannt, der den Tabak im 16. Jahrhundert als Heilmittel in Frankreich einführte. Die weltweiten Hauptanbaugebiete sind die Ostküste Nordamerikas, Mittelamerika, Brasilien, Argentinien, Syrien, Palästina, Ostafrika und die asiatischen Monsungebiete.






Tabakfeld

Tabakfeld eines Kleinbauern






Eine kurze Geschichte
Es gibt keine Zeugnisse über die Herkunft des Tabaks, aber es gilt als gesichert, dass es sich um eine amerikanische Pflanze handelt und dass sie schon Jahrhunderte vor ihrer 'Entdeckung' durch Kolumbus von Brasilien bis Kanada verbreitet war. Während in Süd- und Mittelamerika die Zigarre verbreitet war, bevorzugten die nordamerikanischen Indianergruppen die (Friedens-)Pfeife. So gelangten die unterschiedlichen Bräuche über zurückkehrende Seeleute zu den europäischen Kolonialmächten: die Pfeife nach England, die Zigarre nach Portugal und Spanien. Der englische Abenteurer und Seefahrer Sir Walter Raleigh gründete die nordamerikanische Kolonie Virginia, nach der der dort gezüchtete Tabak benannt wurde.
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"Pfeife"      Tabak

Noch ein Hinweis: In der gesamten Reportage können die kleineren Bilder durch einen Klick in einem neuen Browserfenster vergrößert dargestellt werden.








„Die Götter haben die Zigarre erfunden, um sich selbst den
besonderen Genuß am Tabakgeschmack zu schenken.“

(Maya-Sprichwort)








Der Anbau in Brasilien
Brasil-Tabak ist ebenso viel älter als die Entdeckung Amerikas. Schon Jahrhunderte vorher haben ihn die Ureinwohner gepflanzt, geraucht, gekaut und auch geschnupft. Die Tupinambá unterwiesen die Portugiesen im Tabakgebrauch, der vor allem bei den Seefahrern beliebt war. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts kamen viele Europäer nach Bahia, um in der Region Recôncavo Tabak anzubauen – von den weltweit wenigen, guten Anbaugebieten für Zigarrentabak sticht der Recôncavo heraus. Hier haben neben Dannemann auch Firmen wie Leite & Alves (‚Talvis‘), Tabacos Mata Fina, Menendez Amerino, Damatta u.a. ihre Produktionsstätten. Im Gegensatz zur sonst üblichen Einzelblattpflückung werden in dieser Region die Blätter von den Kleinbauern am Stengel getrocknet, was ihnen ihre besondere Würze verleiht. Auch die äußeren Bedingungen sind ideal: Der Boden ist leicht lehmig und sandhaltig, es regnet ausreichend, die Sonne ist während der Wachstumsperioden mild.
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Brasil-Tabak





Deckblattproduktion der Fa. Dannemann
  

Das äußere Tabakblatt, das Deckblatt (‚capa‘) vermittelt über seine Farbe, seine Struktur und seinen Duft den ersten Eindruck der Qualität einer Zigarre. Daher werden generell sehr hohe Anforderungen an ein Deckblatt gestellt. Auf der „Fazenda Santo Antônio“ produziert die Firma Dannemann ihre eigenen Deckblätter, um alle Produktionsschritte kontrollieren und ständig verbessern zu können.







Setzlinge der Deckblattproduktion werden einzeln gezogen









Becken mit aufbereitetem Wasser










Setzlinge für die Deckblattproduktion
Bewässerungssystem

Qualität und Aroma eines Deckblattes wiederum werden, neben den klimatischen Bedingungen und der Bodenbeschaffenheit, maßgeblich von der Wasserqualität beeinflusst. Aus diesem Grund gibt sich die Firma Dannemann von Beginn an, also schon bei der Wasseraufbereitung, sehr viel Mühe: es wird in drei verschiedenen Arbeitsschritten gereinigt, vom Chlor befreit und mit fehlenden Mineralien angereichert.

Über ein ausgetüfteltes, computergesteuertes Verteilersystem wird die Wasserzufuhr der Pflanzen geregelt, je nach Wetterlage, Wettervorhersage, Tageszeit und Größe der Pflanzen: High-Tech aus Israel trifft auf alte amerikanische Kulturpflanze! Jedes Jahr werden kilometerweise kleiner Kanäle angelegt und Schläuche verlegt. Jede Pflanze wird allein in den ersten fünf Tagen mit einem Liter von diesem aufbereiteten Wasser versorgt. Zufall sieht anders aus!


Einrichtungen zur Wasseraufbereitung    







Setzlinge

Geschmack, Aroma, Größe, Farbe und Struktur einer Pflanze werden von den Tabaksamen bestimmt, die in spezielle Beete eingesät und täglich gepflegt werden. Die Firma Dannemann zieht ihre Deckblätter in Treibhäusern einzeln, so kontrolliert sie zu 100% die Bedingungen und kann die Setzlinge vor Schädlingen, extremen Witterungseinflüssen und Pilzbefall optimal schützen.


     Setzling


Das Wachstum der Setzlinge bis zur Umpflanzung dauert ca. 45 Tage. Dann sind sie ungefähr 10 cm groß und werden in ein gut vorbereitetes Tabakfeld umgesetzt. Den Tabak für die Einlagen und Umblätter (s.u.) ihrer Zigarren kauft Dannemann bei den Kleinbauern der Umgebung ein, die von ihnen auch unterstützt und beraten werden. 



















         

Die Setzlinge werden für die Umpflanzung vorbereitet










       

   

Pflanzung

Die spätere Verwendung des Tabaks bestimmt von Anfang an auch die Art des Anbaus. Leichte Netze schützen die Deckblattpflanzen vor zu direkter tropischer Sonneneinstahlung (sog. ‚tabaco tapado‘, ‚bedeckter Tabak‘), außerdem werden später die Blüten nicht entfernt – auf diese Weise können sich feine, sehr gleichmäßige und geschmeidige Blätter entwickeln.

Bevor die Arbeiterinnen nun die Setzlinge einpflanzen, bereiten sie die Felder dafür vor: sie spannen die Netze bzw. bessern sie aus, pflügen und düngen den Boden, ziehen die Rinnen und verlegen die Wasserschläuche; kurz vor der Pflanzung wird die Erde mit Hilfe des Bewässerungssystems angefeuchtet und dann stechen Arbeiter die Löcher für die einzelnen Setzlinge vor. Dabei wird bei den diversen Tätigkeiten zwischen den Geschlechtern streng getrennt.  





Der beste Zeitpunkt für die Pflanzung ist nachmittags, damit die frisch eingepflanzten Setzlinge nicht den ganzen Tag der tropischen Sonne ausgesetzt sind. Die Akklimatisierung auf dem Feld kann so besser stattfinden. Die Pflanzung erfolgt per Hand und geht in einer sehr hohen Geschwindigkeit vor sich: die Setzlinge werden von Arbeiterinnen vor die Löcher gelegt, naja, besser: fallen gelassen, wo sie dann von vielen flinken Händen eingesetzt werden - Frauensache. 






















„Die Zigarre verbrennt dir die Lippen, wie es früher einmal die Liebe tat.“
(Charles Bukowski)













Feldpflege

Die Pflege der Felder erfolgt in den ersten Wochen kontinuierlich und wird sowohl manuell als auch noch mit Ochsen und Pflug durchgeführt: prähistorisch, aber sehr schonend für die Pflanzen und immer noch effektiv.  Es geht dabei in erster Linie darum, den Graswuchs zwischen den Pflanzenreihen zu unterbinden, der den Pflanzen Nährstoffe wegnehmen würde; und darum, den kleinen Pflanzen etwas mehr des nährstoffreichen Bodens zuzuführen.




    


       














     
























Felder

Dieser Brasil-Sumatra-Tabak wird also unter schützenden Netzen gezogen. Ab der Einpflanzung reifen die Pflanzen unter dem Netz bis zur Ernte in der Regel in ca. 4 Monaten. Jede Entwicklungsstufe der Pflanzen hat auf dem Feld ihren eigenen Reiz. Bei (fast) ausgewachsenen Pflanzen entsteht der Eindruck eines Waldes, wenn man hineingeht. Scheint die Sonne in ein Feld, erlebt man sehr schöne Lichtstimmungen. In den Tabakreihen herrscht ein heißes, schwül-feuchtes Klima. Im Gegenlicht kann man dann sehr schön und deutlich die Tabakblattstruktur sehen.








































  









Ernte

Wie bei der Einsaat will der Zeitpunkt des Beginns der Ernte gut ‚getimt‘ sein. Bei Regen darf überhaupt nicht geerntet werden. Der Morgentau muss vorüber sein, damit die Blätter nicht zu nass sind, aber die tropische Sonne darf den Blättern nicht schon zu viel Feuchtigkeit entzogen haben, sie sind sonst zu ‚schlapp‘. Am besten weht bei der Ernte ein leichter, warmer und trockener Wind – ja sonst noch was? Die Arbeiterinnen – Ernte ist Frauen-, Abtransport Männersache – pflücken jedes einzelne Blatt wie eh und je von Hand.







Das Pflücken geschieht immer 'in Richtung' des Reifeprozesses, d.h. von unten nach oben! Hierbei spricht der Fachmann von Mittelgut, Hauptgut und Obergut (auf portugiesisch klingt das so: livre pé, centro pé e corona). Zwischen der Ernte der verschiedenen Blatt-Ebenen liegen jeweils drei bis acht Tage. So kann sich die Pflanze in dieser Zeit erholen und ihre Energie in die verbliebenen Blätter stecken. Nach dem Pflücken legen die Arbeiterinnen die Blätter sternförmig in die Plastikkörbe, so dass sie sie im Anschluss einfacher zum Trocknen auffädeln und aufhängen können.













Im Tabakfeld







   





  






















Trocknung
Noch am selben Tag werden die Blätter zur Lufttrocknung aufgehängt. Die Blätter werden sogar schon während der Ernte zu den Trockenhäusern gebracht. Dort ziehen die Arbeiterinnen sie so auf Schnüren auf, dass sie nicht aneinander kleben können – da sonst ziemlich schnell Schimmel entstehen würde.

Diese Aufhängungsart benötigt aber viel Platz, weshalb die Blätter in eine Holzkonstruktion vom Boden bis zur Decke gehängt werden. Sehr schnell verändern die Tabakblätter nun ihre chemischen Eigenschaften: Chlorophyll wird abgebaut, d.h., die grüne Farbe geht schnell in gelb und dann in braun über (s.u.); ebenso Proteine, Zucker und Stärke. Der Tabak reift nun innerhalb von vier bis sechs Wochen, wobei sich sein Wassergehalt von 90% auf ca. 25% reduziert.



















             


   









„Ich trinke viel, ich schlafe wenig und rauche eine Zigarre
nach der anderen. Deshalb bin ich 200% in Form.“

(Winston Churchill)











© Copyright: Fotos und Text: Jochen Weber



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